Zwei elektrisch betriebene LKW mit dem grünen Logo „KLIMA BEWUSST BAUEN“. Im Vordergrund stehen neun Personen, die symbolisch zwei große Schlüssel übergeben
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Zukunftsprojekt

Klimabewusste Baustelle in Tübinger Innenstadt

Ein warmer Tag im August, eine Baustelle mitten in der Tübinger Altstadt. Fernwärmeleitungen werden eingebaut und Hausanschlüsse müssen verlegt werden, das heißt: Straße aufreißen, Baggern, Presslufthammer, das volle Programm. Eigentlich eine Zumutung für Anwohner und Touristen, die sich hier durch die historischen Gassen drängen, ganz zu schweigen von den angrenzenden Ladenbesitzern. Doch diese Baustelle ist anders. Der Radlader surrt vor sich hin, der Arbeiter an der Rüttelmaschine nehmen keinerlei Abgase wahr. Es sind viele kleine Hinweise, die darauf hindeuten, dass das
hier etwas Großes passiert.

Wir befinden uns auf der ersten klimabewussten Baustelle, einem gemeinsamen Pilotprojekt von LEONHARD WEISS mit den Stadtwerken Tübingen, vom Sommer 2023. In der Metzgergasse wird das Konzept der emissionsreduzierten Baustelle einem Praxistest unterzogen – und ein wichtiges Zeichen gesetzt. Denn die Baubranche ist einer der wesentlichen Mitverursacher von Treibhausgasen und das Thema Nachhaltigkeit rückt bei Kunden und Gesetzgebern immer mehr in den Fokus. In skandinavischen Ländern gibt es bereits seit einigen Jahren klimaneutrale Baustellen. In Deutschland will nun auch LEONHARD WEISS neue Wege gehen. Doch ist eine emissionsreduzierte Baustelle überhaupt wirtschaftlich? Und was bedeutet das für die tägliche Arbeit?

Metzgergasse Tübingen

Abends, nach getaner Arbeit, surrt der E-Bagger durch die Gassen auf dem Weg zum Ladepunkt. Passanten erschrecken regelmäßig, weil sie die leise Baumaschine nicht kommen hören, berichten die Kollegen auf der Baustelle. 300 Meter sind es bis zur Ladestelle, die LEONHARD WEISS eingerichtet hat. Die Baumaschinen halten locker einen Arbeitstag durch, aber nach Feierabend müssen sie eingesteckt werden. Die elektrischen Kleingeräte wie Stampfer und Fugenschneider können auch direkt an der Baustelle aufgeladen werden. Der Strom wird von Solarpaneelen auf dem Baucontainer erzeugt.

Keine Frage: Das Lademanagement ist eine Umstellung für die Mitarbeiter. Wenn ein Akku von einem handgeführten Gerät leer ist, darf man ihn nicht einfach austauschen, sondern muss ihn direkt aufladen, damit es später zu keinen Verzögerungen kommt. Ein großer Vorteil der Elektrifizierung, gerade bei innerstädtischen Baustellen, ist die geringere Lärmbelastung. Bis 2030, so das Ziel von LEONHARD WEISS, soll die Elektrizität der Hauptenergieträger sein, gefolgt von synthetischen Kraftstoffen wie HVO. Auch auf der klimabewussten Baustelle in Tübingen werden Lastwagen und Pritschenwagen mit HVO betrieben, einem Dieselersatzstoff, der aus erneuerbaren Rohstoffen wie gebrauchtem Speiseöl und Abfällen der Lebensmittelindustrie hergestellt wird. Noch ist HVO teurer als konventioneller Kraftstoff und außerdem an keinen Tankstellen erhältlich, weshalb er vor Ort in 1.000-Liter-Tanks gelagert werden muss. Doch dafür wird mit HVO 90 Prozent der Treibhausgase eingespart und auch die Rußentwicklung ist deutlich geringer.

Zurück in die Metzgergasse nach Tübingen. Der ganz normale Baustellenbetrieb läuft auf Hochtouren, doch auch das Leben drumherum geht weiter. Ein Ladenbesitzer berät einen Kunden bei geöffneter Ladentür, obwohl nur wenige Meter daneben der Bagger arbeitet. Menschen unterhalten sich, Kinder bleiben stehen und schauen zu. Alltag ist eingekehrt auf der klimabewussten Baustelle. In der Zwischenzeit sitzt jeder Handgriff, routiniert werden Maschinen per Knopfdruck gestartet und regelmäßig aufgeladen. Die Bilanz nach Abschluss der Baustelle: überraschend positiv.

Weil sich alle Beteiligten auf das Projekt eingelassen haben, wurden die Abläufe schnell etabliert und es klappt reibungslos. Die Anwohner in der Metzgergasse bestätigten, dass sie es mit weit weniger baustellentypischen Lärm- und Geruchsbelastungen zu tun hatten als erwartet. Neben diesen wertvollen Erfahrungen sprechen auch die Fakten für sich: Über den gesamten Zeitraum ihres Einsatzes haben die E-Maschinen rund 3,4 Tonnen CO2 eingespart. Dank des Einsatzes von HVO kommt eine weitere Einsparung von 4,4 Tonnen CO2 hinzu. Noch übersteigen die Kosten der innovativen Baustelle die von konventionellen Tiefbauarbeiten – auch, weil E-Maschinen in der Anschaffung noch teurer sind. Bei dem Pilotprojekt haben LEONHARD WEISS und die Stadtwerke die Mehrkosten bewusst in Kauf genommen und gemeinsam getragen – und so wertvolle Erfahrungen für die Zukunft gesammelt. Denn wie Robert Kreß, Geschäftsführer Straßen- und Netzbau sagt: 

Die Energiewende kommt nicht von selbst. Sie muss gebaut werden.

Robert Kreß, Geschäftsführer Straßen- und Netzbau