Wilde Zeiten.
Der Aufbau Ost.
Als nach der großen Euphorie der Wiedervereinigung der Blick über die Straßen, Städte und Schienen der ehemaligen DDR schweift, folgt die Katerstimmung. Die Infrastruktur ist stark erneuerungsbedürftig, der Nachholbedarf im Städte- und Wohnungsbau riesig. Viele Fernstraßen sind am Ende der DDR noch gepflastert, die Autobahnen oft noch auf dem Stand der 1940er Jahre, ohne Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen oder mittige Leitplanken. Auch das Eisenbahnnetz ist veraltet, überall gibt es „Langsamfahrstrecken“. Bei LEONHARD WEISS ist die Motivation ist groß, beim „Aufbau Ost“ mitanzupacken.
1989 reist Werner Schmidt-Weiss mit einer Delegation an Handwerksbetrieben unter der Führung von Ministerpräsident Lothar Späth in den Osten und knüpft Kontakte nach Zwickau. Bereits 1990 gründet LEONHARD WEISS Niederlassungen in Gera, Dresden und in Hirschfeld und beginnt mit der Suche nach neuen Mitarbeitern.
Ich kann mich noch erinnern, wir haben dort eine Anzeige aufgegeben mit Stellenbeschreibungen. Herr Förster aus dem Personalbüro und ich sind dann rübergefahren. Als wir ankamen, dachten wir, uns trifft der Schlag: Da war eine Schlange, so lange wie bei uns zu Corona-Zeiten vor den Impfzentren.
LEONHARD WEISS ist bald an vielen Orten anzutreffen, bei den unterschiedlichsten Projekten. Wenn es um die Wiederherstellung historischer Bausubstanz geht, die im Zweiten Weltkrieg zerstört oder über Jahre vernachlässigt wurde, ist das Know-how der späteren Tochterunternehmung Steinsanierung Denkmalpflege Crailsheim gefragt. Die Spezialisten aus Crailsheim – übrigens bestehend aus einem Steinmetztrupp aus Stadtroda bei Zwickau, der nach dem Fall der Mauer in den Westen flüchtete, eine erste Heimat in Blaufelden fand und direkt von Werner Schmidt-Weiss eingestellt wurde – sind zum Beispiel viele Jahre in Zwickau, wo sie die gotische Fassade des Doms restaurieren. Weitere große Projekte sind die Sanierung des Schlosses Oranienburg, dem größten Barockschloss Preußens und die Restauration der schönen Pforte des Magdeburger Zentralbahnhofs. Auch dank dieser prestigeträchtigen Projekte entwickelt sich die noch junge Mannschaft der Steinsanierung und Denkmalpflege in den Neunzigerjahren zu einem der größten Restaurationsbetriebe in Deutschland – mit einem hervorragenden Ruf. „Instandsetzung, Sanierung, Rekonstruktion und Konservierung historischer Bausubstanz erfordern umfangreiche Kenntnisse über Kunstepochen und Materialien, sehr viel Fingerspitzengefühl und außerordentliches handwerkliches Geschick. Die Steinsanierung Denkmalpflege Crailsheim beherrscht – wie nur wenige – diese immer stärker gefragten, in Tradition verbundenen Bauaufgaben.“
Auch in der boomenden neuen Hauptstadt Berlin mischt LEONHARD WEISS mit. Das schwäbische Unternehmen baut Gleise im Nahverkehr und 432 Wohneinheiten im neu gegründeten Ortsteil „Französisch Buchholz“. Im Tiergarten-Dreieck, das bis zur Wende eine innerstädtische Brachfläche war, ist LEONHARD WEISS beim Bau der skandinavischen und japanischen Botschaft und der CDU-Geschäftsstelle beteiligt. In der Neuen Mitte meistert das Unternehmen eine besonders knifflige Aufgabe. Neben dem Kaufhaus Lafayette muss ein altes Gebäude abgerissen werden, direkt in der eng bebauten Innenstadt. Der riesige Abbruchbagger frisst sich mit einem sogenannten Longliner und einer Abbruchzange durch das Mauerwerk direkt in die pulsierende Französische Straße und Friedrichsstraße.
Das war eine wilde Zeit nach der Wiedervereinigung. In guten Zeiten hatten wir 70, 80 Kräne in Berlin stehen. Wenn man eine Spreefahrt gemacht hat, konnte man unsere Baustellen besichtigen.
Auch bei der Modernisierung und dem Neubau vieler Straßen- und Bahnstrecken in den alten und neuen Bundesländern ist LEONHARD WEISS beteiligt. Zuletzt im Jahr 2011, im Auftrag der DB Netz AG bei der Baumaßnahme „VP Coburg Süd“. Diese ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit (VDE), mit denen viele Probleme der Verkehrsinfrastruktur auf den Ost-West- Strecken und Nord-Süd-Verbindungen behoben wurden. Von 1991 bis Ende 2022 investierte der Bund rund 20 Milliarden Euro in Schienen- und mehr als 17 Milliarden Euro in Autobahnprojekte.
Wir haben halt da geschafft, wo es Arbeit gab.
Um die Jahrtausendwende, als der Bauboom durch „Aufbau Ost“ wieder abgeflacht ist, orientiert sich LEONHARD WEISS zu den Großstadtgebieten um München, Frankfurt und Hamburg, wo der insbesondere der Geschäftsbereich Ingenieur- und Schlüsselfertigbau stetig wächst und weitere Bereiche nachzieht. Heute sind die Niederlassungen in den neuen Bundesländern und Berlin wieder geschlossen. Doch viele Gebäude und restaurierte Denkmäler erinnern noch heute an die teilweise wilden Zeiten nach der Wiedervereinigung.