Zwei Männer stehen auf Bahngleisen in Ägypten, im Hintergrund Güterwaggons, Palmen und Gebäude
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Das weit entfernte Abenteuer Ägypten

LEONHARD WEISS hat schon an vielen außergewöhnlichen Orten Gleise gebaut – wie an den steilen Anstiegen der Schwäbischen Alb oder durch die massiven Berge der Südtiroler Alpen. Aber keine Baustelle war so abenteuerlich wie die in Ägypten.

Kairo, Anfang der 1980er Jahre.

Überall im Land entstehen Hotels, Straßen und Eisenbahnstrecken. Der Tourismus entwickelt sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig und der Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur wird von der Regierung stark gefördert.

Die großen Bauprojekte ziehen auch viele ausländische Firmen ins Land. Europäische und insbesondere deutsche Baufirmen sind international renommiert. Bekannt für Qualität im Gleisbau. Darunter u. a. eine französische Baufirma, die für den Streckenbau Kairo – Alexandria nach Ägypten kommt. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichkeiten der ägyptischen Staatsbahn ist jedoch nicht von Erfolg gekrönt: Zahlungen für die erledigten Arbeiten erfolgen nicht und es kommt zum Streit, weshalb die französische Firma sich zurückzieht und die ägyptische Staatsbahn ohne Instandhaltungsunternehmen dasteht. Es entstehen Gespräche zwischen Beratern der ägyptischen Eisenbahn, die im Übrigen auch für die Deutsche Bahn tätig sind, und LEONHARD WEISS – als Bauunternehmen mit Expertise im Gleisbau. Der Austausch trägt Früchte: Man nimmt sich der Herausforderung an – mit dem Ziel, den dortigen Aufschwung für sich zu nutzen und neue Erfahrungen zu sammeln. 1984 kommt eine Delegation von knapp 20 LEONHARD WEISS Mitarbeitern aus Göppingen und Crailsheim in Kairo an.

Das Risiko, dass die uns nicht richtig bezahlen werden, kannten wir im Voraus. Aber wir wussten, wir sind harte Geschäftsleute und wir bekommen unser Geld.

Ulrich Weiss, Gesellschafter 3. Generation

LEONHARD WEISS ist für die Instandsetzung der Strecke im Einsatz. Dazu zählen insbesondere die Bedienung der Maschinen und Schweißarbeiten – allesamt Maßnahmen, die die ägyptischen Arbeiter mit ihrer Expertise nicht leisten können. Trotz der Vorbereitung sind die Arbeitsbedingungen vor Ort unberechenbar: Die Wohnungssuche für die Arbeiter gestaltet sich mehr als schwierig. “Unterkünfte in der näheren Umgebung waren nicht zumutbar, also suchten wir lange nach geeigneten Möglichkeiten. Danach habe ich selbst geschaut. Ich war einige Male unten – besonders dann, wenn’s mal geklemmt hat”, erinnert sich Ulrich Weiss.

Die Bahnstrecke führt durch weite Wüste und staubige Städte, vom Himmel brennt die Sonne und immer wieder gibt es technische Schwierigkeiten. Doch zwischen Verständigungsproblemen und Rückschlägen entstehen auch Freundschaften auf der Baustelle und viele neue Erkenntnisse über die jeweils andere Kultur und Arbeitsweise.

Gleisbau auf reinem Sand gestaltet sich im Übrigen einfacher als man zunächst vermuten mag. Es erfolgen die entsprechenden Unterbauarbeiten mit Schotter und schon kann das Gleis verlegt werden. Die größere Herausforderung liegt in der sprachlichen Barriere. Kommunikation erfolgt auf Englisch oder – sofern man der Sprache nicht mächtig war – mit Händen und Füßen. LEONHARD WEISS wird Stück für Stück für weitere Streckenabschnitte zwischen Kairo und Alexandria beauftragt, sodass die Baustelle am Ende 120 Kilometer umfasst und insgesamt über drei Jahre andauert. Um die 20 Maschinisten, Schweißer und Poliere von LEONHARD WEISS aus Hohenlohe, Schwaben und sogar den tiefsten bayrischen Gefilden trotzen den Herausforderungen vor Ort und wickeln alle Aufträge allesamt wie vereinbart ab.

Am Ende bleibt Ägypten aber ein “internationales Experiment”. Eine Weiterverfolgung dieser Aktivitäten scheiterte nicht an der Hitze oder an defekten Baumaschinen – sondern an der komplizierten Abwicklung. Allein der Zahlungsverkehr gleicht für die Geschäftsführer und Gesellschafter Werner Schmidt-Weiss und Ulrich Weiss einem Krimi. Um an ihr Geld zu kommen, reisen sie nach Abschluss der Arbeiten noch einmal ins Land und kommen mit einem Geld-Koffer nach Hause. Die Scheine erweisen sich bei der Bank dann jedoch als wertlos.

Eine kurz zuvor durchgeführte Währungsreform, von der beide Geschäftsführer nicht in Kenntnis gesetzt waren, führte dazu. Mit der Zeit fand man jedoch rechtskonforme Lösungen, um den Wert der Leistungen zurückzuerhalten.

Heute ist die Bahnstrecke Kairo – Alexandria nicht mehr in Betrieb. Wer im Flugzeug über das Land fliegt, kann sie jedoch noch erkennen – die Gleise, die LEONHARD WEISS vor 40 Jahren verlegt hat.

Heute realisiert LEONHARD WEISS ausschließlich Projekte in Europa, mit Schwerpunkt Deutschland, Skandinavien, Balitkum und in Mittel-/Osteuropa. Ägypten bleibt ein einmaliges Unterfangen – aber auch ein unvergessliches Abenteuer.