Schwarz-Weiß-Aufnahme von Straßenbauarbeiten um 1957: Arbeiter verteilen Kies von einem kippenden Lkw auf die Straße
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Von technischem Fortschritt und „Gästen“, die zu Kollegen werden.

„Aufschwung“. Das Schlagwort der 1950er und 1960er Jahre. Die Menschen richten ihren Blick nach vorne, packen an und bauen auf. Die Wirtschaft boomt, der Wohlstand wächst. Auch bei LEONHARD WEISS herrscht Aufbruch: die Auftragslage ist gut, große Pläne liegen auf dem Tisch. Das Bauunternehmen hat nun aber ein anderes Problem. Es fehlen die Arbeitskräfte.

In der Bundesrepublik sinkt die Zahl der Arbeitslosen zwischen 1950 und 1960 von elf auf 1,3 Prozent – es herrscht Vollbeschäftigung.1 Gerade für die „Knochenjobs“ auf dem Bau wird es immer schwerer, Leute zu finden. Gleichzeitig steigen mit dem Lebensstandard in Deutschland die Lohnkosten. Diesen Herausforderungen begegnen LEONHARD WEISS und andere Industrie- und Bauunternehmen mit zwei Strategien: Zum einen mit der Mechanisierung, zum anderen mit der Beschäftigung von „Gastarbeitern“.

Wie rasant die technische Entwicklung voranschreitet, zeigt sich gerade im Gleisbau. Zum einen werden die Maschinen leistungsfähiger – bereits die erste Stopfmaschine schafft 120 Meter Gleis in einer Stunde – viermal so viel wie ein ganzer Bautrupp! Die Maschinen, die ab 1962 im Einsatz sind, stopfen locker 500 Meter in der Stunde – und sie sind außerdem in der Lage, Gleise zu heben und auszurichten. Zum anderen wird die Technik immer weiter an den Menschen angepasst. So war die Bedienung dieser ersten Stopfmaschine noch echte Folter – der Maschinist war zwischen zwei Stopfaggregaten eingeklemmt und hielt während des gesamten Vorgangs einen Hebel, wobei er die gesamte Vibration ungedämpft aushalten musste. 20 Jahre später sitzt der Maschinenführer in einem geschlossenen und abgefederten Cockpit und steuert die Stopfaggregate mit Fußhebeln.

Bei LEONHARD WEISS sind ab 1959 die jeweils modernsten Maschinen im Einsatz, wie der erste Schnellumbauzug ab 1979 – eine Maschine, die Gleise und Schwellen im Fließsystem kontinuierlich aus- und einbaut. Sie schafft bis zu 3.000 Meter pro Schicht.

Insgesamt reduziert sich die Zahl der Beschäftigten im Oberbau Deutschlands dank der Mechanisierung zwischen 1951 und 1985 von 32.200 auf 10.600.

Und doch sind die immer anspruchsvolleren Baustellen ohne zuverlässige Arbeitskräfte nicht zu bewältigen. 1955 schließt Deutschland das erste Anwerbeabkommen mit Italien. Auch für LEONHARD WEISS eine große Chance, leistungsbereite Menschen für die vielen Bauprojekte zu finden.

Im Spätsommer waren es mehr als eine Viertelmillion Menschen aus dem Ausland, die Lücken des westdeutschen Arbeitsmarktes schlossen. Sie halfen und helfen unserer vollbeschäftigten Wirtschaft, die trotz aller Restriktionsmaßnahmen der Bundesbank unstillbare Nachfrage nach Investitionsgütern befriedigen und den allen Dementis zum Trotz unleugbaren Bau-Boom bewältigen.

Artikel in „Der Städtetag“ vom Oktober 1960

Die Unterbringung der mehr als 4.000 Menschen, die allein bis 1960 in den Landkreis Göppingen kommen, stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. Bei LEONHARD WEISS sind in Göppingen und Crailsheim zu diesem Zeitpunkt 250 Arbeiter aus Italien und Griechenland im Einsatz. Das Unternehmen ist auf die Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Der sozialen Verantwortung, die im Gegenzug daraus erwächst, ist man sich im Unternehmen sehr bewusst. Statt einfacher Baracken plant die Geschäftsführung zum Beispiel den Bau von festen Wohngebäuden. Die Verhandlungen mit Bürgermeistern und Kreisgemeinden scheitern jedoch zunächst, weil diese kein Bauland für diesen Zweck bereitstellen wollen.

Bis 1973 kommen insgesamt rund 14 Millionen Menschen zum Arbeiten nach Westdeutschland.8 Ohne sie wäre der Aufschwung, das deutsche Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen. Und auch die Erfolgsgeschichte von LEONHARD WEISS erzählt nicht nur von technischem Fortschritt. Sondern auch davon, wie sich die unterschiedlichsten Menschen immer wieder zu guten Teams zusammenfinden – einige davon „Gastarbeiter“, die in der täglichen Arbeit schnell zu geschätzten Kollegen werden. Was sie alle bis heute verbindet, ist „die Freude am Bauen“. Und das Gefühl, ein Teil der LEONHARD WEISS-Familie zu sein.