Farbfoto von Walter Weiss, Sohn von Leonhard Weiß, in Anzug und Krawatte, mit Brille und einem freundlichen Gesichtsausdruck
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Die Führungsfrage.

Der plötzliche Tod von Leonhard Weiß und die Wirren des Weltkriegs.

An unsere Geschäftsfreunde! Wir erfüllen hiermit die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass unser Seniorchef, Herr Leonhard Weiß, infolge Herzschlags unerwartet rasch verschieden ist.

Die Nachricht ist für alle ein Schock. Noch drei Tage vor seinem Tod war Leonhard Weiß mit den Mitarbeitern auf einem Betriebsausflug in München. Sein Schwiegersohn Werner Schmidt sen. übernimmt die Aufgabe, Kunden und Partner zu benachrichtigen. Denn auch wenn die Welt der Hinterbliebenen im Februar 1938 stillsteht, ist allen klar: Die Geschäfte müssen weitergehen. Leonhard Weiß hätte es so gewollt.

Da der Betrieb nach der technischen Seite hin über durchaus erfahrene Spezialkräfte verfügt und die technische sowie kaufmännische Leitung in den Händen des Unterzeichneten liegt, können wir allen unseren Geschäftsfreunden und Auftraggebern die Versicherung geben, dass die Aufträge, die unserer Firma erteilt werden, wie bisher bestens erfüllt werden. Wir bitten Sie höflichst, unserer Firma auch weiterhin das gleiche Vertrauen wie unserem verstorbenen Seniorchef, Herrn Leonhard Weiß, entgegenzubringen.

schreibt Werner Schmidt sen. weiter.

Doch wer soll in die Lücke treten, die der Gründer hinterlässt? Sein Sohn Walter Weiss ist erst Anfang 20 und steht kurz vor Beginn seines Studiums an der Staatsbauschule. Neben Schwiegersohn Werner Schmidt sen., der seit vier Jahren eng ins operative Geschäft eingebunden ist und die Verwaltung maßgeblich aufgebaut hat, soll deshalb Leonhard Weiß´ Witwe in die Geschäftsführung eintreten. Ottilie Weiß ist nun nicht nur Familienoberhaupt, sondern auch eine erfahrene Geschäftsfrau, die das Unternehmen bereits durch den Ersten Weltkrieg gebracht hat. Um die neue Doppelspitze umzusetzen, muss jedoch einiges geregelt werden.

Da Leonhard Weiß das Unternehmen bisher als Alleininhaber führte, wird eine Kommanditgesellschaft errichtet. Ottilie Weiß und Werner Schmidt sen. werden zu persönlich haftenden Gesellschaftern. Sohn Walter Weiss vorerst Kommanditist. Nach seinem Abschluss soll er ebenfalls persönlich haftender Gesellschafter werden. Bis der 1939 aufgesetzte Gesellschaftervertrag jedoch dahingehend abgeändert wird, sollte es noch ganze 17 Jahre dauern. Denn noch im selben Jahr muss Walter Weiss in den Krieg ziehen. Und die Frage, wer die Baufirma letzten Endes führen soll, wird hintenangestellt.

Erstmal geht es darum, überhaupt das weitere Bestehen der Firma zu sichern. Einige Mitarbeiter werden ebenfalls eingezogen und kehren nicht wieder zurück. Dank der Reichsbahn hat LEONHARD WEISS Aufträge an verschiedenen Orten wie Ravensburg, aber auch im Nordosten Baden-Württembergs und im Stuttgarter Raum, denn bereits 1938 wurde die Zweigstelle in Crailsheim gegründet. Doch es ist Krieg und überall fehlen Arbeitskräfte.

1945 kehrt Walter Weiss nach sechs Jahren als Offizier bei den Eisenbahnpionieren zurück. Ottilie Weiß zieht sich ins Privatleben zurück – und die Führungsfrage liegt wieder auf dem Tisch. Walter Weiss und Werner Schmidt sen. finden eine kooperative Lösung: Werner Schmidt sen. betreut bald den Standort Crailsheim, während Walter Weiss die Federführung in Göppingen übernimmt. Zusammen legen sie so den Grundstein für den weiteren Erfolg des Familienunternehmens LEONHARD WEISS. Und sie schaffen es, trotz der schwierigen Umstände der Nachfolgeregelung nach dem unerwarteten Tod von Leonhard Weiß und den Wirren des Krieges, das Erbe im Sinne des Firmengründers weiterzuführen.