Arbeiter beim Gleisbau an der Geislinger Steige, unterstützt durch eine CAT-Baumaschine und beobachtet von Zuschauern im Hintergrund
Zurück

Heimbaustelle Geislinger Steige

In dem weitverzweigten Eisenbahnnetz Deutschlands gibt es einen kurzen, aber besonderen Abschnitt. Er befindet sich genau in der Mitte des Eisenbahnkorridors Paris – Wien, an der größten europäischen Wasserscheide. Es handelt sich um das Herzstück der ersten württembergischen, der Schwäbischen Eisenbahn. Und um ein Gesamtbauwerk, das auch die Handschrift von LEONHARD WEISS trägt.

Die Geislinger Steige. Sie ist gerade mal 5,6 Kilometer lang, hat dafür aber eine beachtliche Steigung von 22,5 Prozent. Der Bau der Strecke setzt Mitte des 19. Jahrhunderts neue technische Maßstäbe, mehr als 4.000 Arbeiter aus dem In- und Ausland sind daran beteiligt. Und auch danach bleibt die Strecke eine der anspruchsvollsten – für die Zugführer und deren Loks, die 113 Höhenmeter meistern müssen. Aber auch für die Instandhaltung der Strecke, die entlang schroffer Felswände und enger Kurven auf die Albhochfläche führt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird LEONHARD WEISS mit den laufenden Umbauarbeiten auf dieser besonderen Strecke beauftragt. Die Geislinger Steige stellt das Unternehmen im Laufe der Jahrzehnte immer wieder vor knifflige Herausforderungen. Ihnen begegnet das Unternehmen erst mit einfachsten Mitteln und in Handarbeit, später dann mit technischer Unterstützung. So wird der legendäre Streckenabschnitt zwischen Geislingen und Amstetten im Laufe der Jahre zur Heimbaustelle von LEONHARD WEISS.

Gleiserneuerung, Ende der 1960er Jahre.

Große Kolonnen von 30 bis 40 Mann arbeiten sich entlang der Gleise. Die Landschaft ist spektakulär, doch um den Ausblick ins Filstal zu genießen, bleibt keine Zeit. Jeder Arbeiter soll in der vorgeschriebenen Zeit fünf Schwellen auswechseln. Mit Gabel und Pickel holen die Männer den Schotter aus dem Gleisbett, ziehen die Schwellen raus, setzen die neuen ein. Dann wird aufgefüllt. Alles von Hand und in Teamarbeit.

Bevor große Maschinen die schweren Arbeiten erledigen, ist der Bedarf an Arbeitskräften auf der Geislinger Steige immens. Die Arbeiter werden aus allen Himmelsrichtungen eingesammelt und in Bussen zum Einsatzort gefahren. Es ist eines der Großprojekte, an das sich jeder erinnert, der dabei war.

Ich bin in den Bus eingestiegen, es waren vielleicht zwei Leute drin. Ich setzte mich in die dritte Reihe. Da kam einer rein und sagt - weg da, ist mein Platz. Also bin ich ein bisschen weiter nach hinten. Zehn Minuten später kommt der nächste: weg da, das ist mein Platz. So ging das weiter, bis ich ganz hinten saß. Am Samstag darauf bin ich nach Göppingen gefahren und hab mir meinen ersten VW Käfer gekauft. Der war zwar nicht ganz funktionsfähig, aber ich bin dann mit dem Auto auf die Baustelle gefahren - und hab den Leuten aus dem Bus zugewunken.

Franz Kreipl, Zitat 1959 als Maurer im Einsatz an der Geislinger Steige

Mit dem zunehmenden Güter- und Personenverkehr wird der Abschnitt zwischen Geislingen und Amstetten in den Jahren darauf zum Nadelöhr auf der Nord-Südachse der Deutschen Bundesbahn. Trotz technischer Weiterentwicklungen wie den beidseitigen Gleiswechselbetrieb ab 1975, wird die Notwendigkeit einer Ausweichstrecke immer deutlicher. Die Instandhaltungsarbeiten auf der Strecke müssen indes wegen der hohen Auslastung bei laufendem Zugverkehr stattfinden.

Baumaßnahmen an der Geislinger Steige, Juni 1987.

Es ist ein besonders anspruchsvoller Einsatz für LEONHARD WEISS. Ein großer Felsüberhang neben der Bahnlinie macht der Deutschen Bundesbahn Sorgen. Damit die 60 Kubikmeter nicht auf die Gleise abrutschen, wird die Felswand eingerüstet und mit Pfeilern abgestützt. Die verwitterten Gesteins-Flächen werden mit Spritzbeton bearbeitet, bis eine große, glatte Fläche entsteht. Nur wenige Meter neben den Arbeitern am Fuße der Steilwand rauschen Intercity- und Güterzuge vorbei.

Im Dezember 2022 ersetzt die Schnellfahrstrecke Wendlingen – Ulm, auf der Züge mit bis zu 250 km/h unterwegs sind, den Schnellverkehr auf der Geislinger Steige. Denn auch in einer Welt, die immer schneller wird, können Züge hier bis heute nur mit maximal 70 km/h durch die engen, steilen Kurven fahren. Heute wie vor 175 Jahren schauen die Menschen an dieser Stelle, an der alles ein bisschen langsamer wird, gerne aus dem Fenster über die Landschaft und die Bahnlinie, die auch ein Stück Firmengeschichte von LEONHARD WEISS erzählt.

2025 wird die Geislinger Steige stolze 175 Jahre alt – und wie es der Zufall so will, feiert auch LEONHARD WEISS im gleichen Jahr das 125-jährige Jubiläum. In jeder Hinsicht eine besondere Verbindung.