Hochzeitsfoto von Leonhard und Ottilie Weiß im Jahr 1908, aufgenommen vor einer geschmückten Tür, das Paar in eleganter Festkleidung
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Ottilie Weiß.

Die gute Seele der Familie.

Ottilie Weiß, geborene Streicher, kam im Jahr 1886 in Plochingen zur Welt. Sie war die zweite von insgesamt drei Töchtern. Ihr Vater führte das Gasthaus „zur Brücke“ in Plochingen. Dort verbrachte Ottilie Streicher Kindheit und Jugend.

Als sie etwa 20 Jahre alt war, kam regelmäßig ein junger Unternehmer in die „Brücke“. Leonhard Weiß war gerade mit seinen Arbeitern am nahegelegenen Bahnhof Plochingen mit Gleisarbeiten beschäftigt. Was dann geschah, ist in der Familie Weiß folgendermaßen überliefert: Nach einigen Besuchen warf Leonhard ein Auge auf Ottilies kleine Schwester Emma. Als er den Wirt schließlich fragte, ob er sie heiraten könne, soll dieser gesagt haben: „Du kannst sie schon heiraten, aber zuerst muss die Ottilie unter die Haube, die ist älter.“ 

So blieb Leonhard Weiß noch ein bisschen Zeit, die andere Schwester kennenzulernen. Das nächste dokumentierte Ereignis ist die Verlobung im September 1907. Am 9. Januar 1908 heirateten die beiden und Ottilie war fortan die wichtigste Mitstreiterin an der Seite von Leonhard Weiß – und wurde zu einer tragenden Säule des Bauunternehmens.  

Fünf Kinder bekamen Ottilie und Leonhard Weiß. Ihre älteste Tochter Emma erblickte 1909 das Licht der Welt, Sohn Walter wurde 1916 geboren, mitten im Ersten Weltkrieg. Leonhard Weiß war gerade als Pionier in Rumänien, als sein Sohn getauft wird. Ein Tag vor Heiligabend erreichte Ottilie ein Brief von ihrem Mann: „Der kleine Junge lacht schon wie du schreibst, auch werde [ich] es ja bald sehen.“ 

Ottilie hielt derweil in Göppingen die Stellung, kümmerte sich um die Familie und das Unternehmen. Sie stritt sich mit Behörden und kämpfte gemeinsam mit ein paar treuen Mitarbeitern um jeden Auftrag. Nach dem Krieg bekam Ottilie drei weitere Töchter: Lotte (1920), Else (1921) und Inge (1923). Ab 1924 wohnte die Familie in einem einfachen Haus auf dem Firmengelände. Als in Zeiten der Inflation und der Weltwirtschaftskrise die Aufträge weniger wurden und Leonhard Weiß um das Überleben der Firma rang, brachte Ottilie die Familie mit Gemüse von den eigenen Beeten und dem Vieh durch, das zwischen den Baumaschinen herumlief.

Man kann ihre Rolle in der Firmengeschichte nicht genug schätzen.

Ulrich Weiss, Enkel, Gesellschafter 3. Generation

Der Tod ihres Mannes im Jahr 1938 war ein schwerer Schicksalsschlag für Ottilie. Gemeinsam mit ihrem Sohn Walter und ihrem Schwiegersohn und Kaufmann Werner Schmidt übernahm sie die Leitung der inzwischen beträchtlich gewachsenen Firma. Im Zweiten Weltkrieg wird Walter Weiß zu den Pionieren einberufen. Als dieser endlich wohlbehalten nach Hause zurückkehrt, zieht sich die Firmeninhaberin zurück.

Ottilie Weiß war somit die erste weibliche Führungskraft bei LEONHARD WEISS.

Ulrich Weiss, Enkel, Gesellschafter 3. Generation

Ottilie Weiß kümmerte sich fortan um die Enkel, bleibt dem Familienunternehmen jedoch verbunden. Solange es ihre Gesundheit zuließ, kam sie zu ihren „Inspektionsrunden“ vorbei, wie sie es nannte, und erkundigte sich nach dem Wohl der Mitarbeiter. Ottilie Weiß war eine starke Frau, bekannt für ihre Strenge, aber auch für ihren „goldenen Humor“. Auch nach ihrem Tod 1968 bleibt sie in gewisser Weise die gute Seele der Familie und des Unternehmens LEONHARD WEISS.