Alle Zeichen auf Erfolg. Die Anfänge des Bauunternehmens.
Es ist das Jahr 1900. Leonhard Weiß ist gerade fertig mit der Ausbildung zum Bauingenieur, als er bei einer großen Baustelle Arbeit findet. Auf der Schwäbischen Alb wird eine neue Bahnlinie gebaut. Die Härtsfeldbahn soll von Aalen bis Dillingen an der Donau führen. Mit Schaufeln und Pickeln mühen sich die Arbeiter durch das zum Teil unwegsame Gelände. Doch neben Muskelkraft ist auch technischer Verstand gefragt. Wenn es beispielsweise um die Planung der Trasse oder die Lösung von unvorhergesehenen Schwierigkeiten geht.
Leonhard Weiß ist hier in seinem Element. Auf dieser Baustelle arbeitet er als Vermesser und berechnet Höhenunterschiede und Kurvenradien. Als Feuerwerker führt er kontrollierte Detonationen durch und als Schachtmeister koordiniert und kontrolliert er einen ganzen Bauabschnittstrupp. Hier kann er seinen Erfahrungsschatz, den er auf den Baustellen seines Vaters und bei verschiedenen Arbeitsgebern und als Freiwilliger bei den Eisenbahnpionieren sammeln konnte, einbringen. Die Bauleitung ist mehr als zufrieden und so kommt es, dass die Härtsfeldbahn zu einem Wendepunkt im Leben von Leonhard Weiß wird.
Nach einigen Monaten auf der Baustelle erhält er von der Westdeutschen Eisenbahngesellschaft in Stuttgart ein Los für einen Streckenausbau der Härtsfeldbahn, für den etwa 10 Kilometer langen Abschnitt Aalen-Neresheim-Ballmertshofen. Sämtliche „Erd-, Steinschlag-, Chaussierungs- und Oberbauarbeiten“ fallen in seine Verantwortlichkeit. Mit diesem Großprojekt wagt der damals 20-Jährige den Schritt in die Eigenständigkeit, und ist fortan als ein Ein-Mann-Betrieb unterwegs.
Als Leonhard Weiß Ende des Jahres 1901 die Härtsfeldbahn verlässt, bekommt er dank seiner guten Reputation schnell weitere Aufträge. Außerdem ist sein Wissen und seine Erfahrung nicht nur im Gleisbau, sondern auch in anderen Bereichen wie dem Straßen- oder Leitungsbau gefragt. Leute wie er werden gebraucht in der Zeit der Hochindustrialisierung. Die Bevölkerungszahlen der Städte explodieren, allerorts werden Straßen, Leitungen und Kanalisationen gebaut.
So leitet Leonhard Weiß direkt im Anschluss an seine Zeit bei der Härtsfeldbahn den Bauabschnitt einer Vicinalstraße (heute Bundes- oder Landesstraße) bei Aalen, wo er sich „bei den zum Teil schwierigen Arbeiten als tüchtiger, sachverständiger, zuverlässiger u. leistungsfähiger Unternehmer erwiesen hat.“ Wenige Jahre später findet man ihn bei den Erweiterungsarbeiten der Eisenbahnhaltestelle Pfauhausen, wo er eine Dohlenanlage baut und sämtliche Erd- und Befestigungsarbeiten für die Königliche Eisenbahninspektion durchführt. In Oberesslingen bekommt er die Grabarbeiten für die neue Gasversorgung übertragen und im Anschluss den Zuschlag für die Grab-, Steinhauer und Betonierarbeiten bei der Erweiterung der örtlichen Wasserleitung.
Bald ist Leonhard Weiß als Tiefbauunternehmer aus Plochingen bekannt. Nach der Hochzeit mit Ottilie Streicher 1908 ist er jedoch vermehrt in Göppingen im Einsatz. In der gemeinsamen Wohnung in der Karlstraße über einer Apotheke befindet sich das erste Firmenbüro, mit der Stadtverwaltung ist er in gutem Kontakt. 1913 führt er unter anderem die „für die Erweiterung des Ortsfernsprechnetzes notwendigen Kanalarbeiten“ durch. Bei der Vergrößerung des Friedhofs übernimmt sein Unternehmen einen Teil der Erd- und Planierungsarbeiten.
Ein guter Ruf, ein erster Firmensitz, gefüllte Auftragsbücher – alle Zeichen stehen auf Erfolg. Doch dann kommt das Jahr 1914 und mit ihr die Zäsur durch den Ersten Weltkrieg. Leonhard Weiß verlässt seine Firma und seine Familie. Als er zurückkehrt, stehen die Zeichen nicht weiter auf Wachstum, denn das schuldengebeutelte Land bewegt sich auf eine schwere Wirtschaftskrise zu.